Johannistag im Gottesdienst festlich begangen - Wiederentdeckung eines alten evangelischen Feiertags

Die diesjährige Erntebitte feierte die Gemeinde am Johannistag.  Der Johannistag ist ein alter, wichtiger Feiertag, der Gedenktag der Geburt Johannes des Täufers am 24. Juni. Es sang Cantale unter Leitung von Andreas Großberger. 

Auch evangelisch steht der Johannistag im Festkalender, ist er doch biblisch gut begründet: genau ein halbes Jahr vor Jesus wird Johannes geboren, der auf Jesus Christus verweisen wird (Lukasevangelium, Kapitel 1, Verse 26 bis 38). Ein halbes Jahr vor Weihnachten am 24. Dezember ist also Johannis.

Wenn Johannis auf einen Sonntag fällt, ersetzt er nach der evangelischen Gottesdienstordnung das Thema des Sonntags. Das war dieses Jahr der Fall. Johann Sebastian Bach, der große evangelische Komponist des Barock, hat drei festliche Kantaten für den Johannistag geschrieben, so wichtig war der Tag früher in der evangelischen Kirche.

Traditionell hat Johannes mit der Sommersonnenwende zu tun, so wie Weihnachten mit der Wintersonnenwende. Das liegt auch am Ausspruch von Johannes über Jesus Christus: „Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen“ (Johannes 3,30). Die Sonnensymbolik gehört zum Festtag, geistlich gedeutet auf Jesus als dem Licht der Welt (Johannes 8).

Zur Christussymbolik gehören auch ursprünglich die Johannis- oder Sonnwendfeuer, die erstmals im hohen Mittelalter belegt sind und um 1400 populär wurden. Feuer und Sonne gehören schon in der Bibel zu Johannes, angefangen beim Lobgesang des Zacharias, dem Vater des Johannes (Lukas 1).

Die angeblich heidnisch germanische oder keltische Herkunft dieses spätmittelalterlichen Brauchtums ist eine Erfindung der völkisch-nationalen Bewegungen im 19. Jahrhundert und wurde im Dritten Reich auf die Spitze getrieben, wo bekanntlich die Sonnwendfeier als angeblich germanisch-keltischer Brauch ein Hauptfest der SS gewesen ist. Solche Feuer sind allerdings in keiner keltischen oder germanischen Quelle belegt.

Wegen der Sonnensymbolik gehört Johannis auch zu den wichtigen landwirtschaftlichen „Lostagen“, insbesondere den Beginn der Erntezeit. Daher war dieser Sonntag in diesem Jahr unser Erntebittsonntag. Erntebitte ist für den Glauben wichtig. Anliegen des Glaubens ist es nämlich, immer wieder bewusst zu machen, dass wir alle von den Gaben der Schöpfung leben und dass unser Leben nicht selbstverständlich ist.

In diesem Jahr war für den Johannistag als Predigttext (= Bibeltext, über den gepredigt werden soll) 1. Petrus 1,8-12 vorgeschrieben (siehe im Evangelischen Gesangbuch Seite 1535): Die Propheten erforschten, was auch die Engel gelüstet zu schauen, nämlich der Seelen Seligkeit.

Bewusst wählte Pfarrer Weiß-Trautwein die alte Lutherübersetzung von der "Lust der Engel", schwäbisch: die Engel hatten "G'lüschte". Worauf? Auf die Momente, wo Menschen "der Seelen Seligkeit erleben", die die Propheten erforschten, sei es in der Stille bei Kerzenlicht in der alten Kirche, sei es laut und bewegt im Gesang und in der Musik, sei es getröstet und voll Hoffnung am Grab eines lieben Menschen, wo das Gefühl so stark sein kann, dass das Leben von Christus stärker ist als der Tod. Der Funke der Liebe, des Glaubens, der Hoffnung kann ein Feuer entfachen, das das Leben trägt und Menschen stark macht - und das die Engel Lust haben, zu schauen. Am meisten der Funke der Liebe.

Intensiv und vielfältig zwischen mitreißend und meditativ war die Musik durch Cantale, intensiv die Klavierbegleitung durch Andreas Großberger, dem Chorleiter, der die Stimmung der Predigt kongenial aufnahm und weiter führte: die Lust der Engel in Tönen. Ein schöner Ruhepol der Gemeindegesang, durch Organistennachwuchs Philipp Wieland an der Orgel einfühlsam begleitet. Intensiv war der ganze Gottesdienst.

Der Johannistag hat es doch in der Tat immer noch in sich und lohnt begangen und gefeiert zu werden. Gerade auch als Erntebitte.

Denn nichts ist selbstverständlich.