„Wie ein Lebenswasser ist der Wein für den Menschen“

Predigt im Dialog

„Wie ein Lebenswasser ist der Wein für den Menschen“

Jesus Sirach

Tag des Offenen Weinbergs Linsenhofen 2004

Silvia Trautwein, Pfarrerin
Hans Peter Weiß-Trautwein, Pfarrer

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I:   Liebe Gemeinde!
Der kluge und weise Jesus Sirach – er lebte um das Jahr 180 vor Christus in Jerusalem und hat uns ein Buch voller Weisheit und kluger Gedanken hinterlassen, aufbewahrt in unserer Bibel, in den Apokryphen.
Dieser kluge und weise Jesus Sirach sagt:
“Wie ein Lebenswasser ist der Wein für den Menschen, / wenn er ihn mäßig trinkt. Was ist das für ein Leben, wenn man keinen Wein hat, / der doch von Anfang an zur Freude geschaffen wurde?
Frohsinn, Wonne und Lust bringt Wein, / zur rechten Zeit und genügsam getrunken.“

 

II:  Welch wunderbare Wörter sind das! Lebenswasser, Freude, Frohsinn, Wonne und Lust. Und alles durch den Wein.
Bitter, wer keinen Wein hat, was ist das für ein Leben!
So sagt es der kluge und weise Jesus Sirach – so hören wir es heute mitten in den Weinbergen.

I:   Und auch wir haben gesungen und gemeinsam gebetet:
Du lässest Gras wachsen für das Vieh
und Saat zu Nutz den Menschen,
dass du Brot aus der Erde hervorbringst,
dass der Wein erfreue des Menschen Herz.

II:  Ja, so überschwänglich spricht und singt und dichtet die Bibel vom Wein.

 

I:   Natürlich kennt die Bibel auch die andere Seite des Trinkens. Jesus Sirach sagt nämlich auch:
Kopfweh, Hohn und Schimpf / bringt Wein, getrunken in Erregung und Zorn.

Zu viel Wein ist eine Falle für den Toren, / er schwächt die Kraft und verletzt viele Menschen.

Und beim Wein spiel nicht den starken Mann! / Schon viele hat der Rebensaft zu Fall gebracht.“
Und an anderer Stelle warnt die Bibel sehr eindringlich vor den Folgen, wenn der Wein zur Sucht wird.

Das wollen wir selbstverständlich nicht verschweigen, als Seelsorger wissen wir um diese Seite des Weines.

II:  Und dennoch: Für Jesus Sirach, ja für die ganze Bibel ist und bleibt der Wein vor allem Lebenswasser, ist und bleibt Quelle der Freude, Quelle des Frohsinns und der Wonne und der Lust – modern gesagt: von Heiterkeit und Genuss.

 

I:   Und der Prophet Jesaja malt sogar das Ende der Zeit, das Reich Gottes prächtig aus und kündigt an:
“Und der HERR Zebaoth wird allen Völkern ein fettes Mahl machen, ein Mahl von reinem Wein, von bestem Fleisch, von Wein, darin keine Hefe ist.
Er wird den Tod verschlingen auf ewig. Und Gott der HERR wird die Tränen von allen Angesichtern abwischen
Zu der Zeit wird man sagen: ‚Siehe, das ist unser Gott, auf den wir hofften, dass er uns helfe. Das ist der HERR, auf den wir hofften; lasst uns jubeln und fröhlich sein über sein Heil.’“
Am Ende der Zeit ein Festmahl bei Gott – und das mit bestem Wein.

 

II:  So, jetzt haben wir Sie aber genug erschlagen mit Worten der Bibel zu Wein und Fest und Lebenslust! Ich glaube, das reicht für das erste.

 

I:   Und doch ist es wichtig, was die Propheten und Weisen der Bibel zum Wein sagen:
Denn wenn wir das alles über den Wein wissen, erfahren wir viel über unsern christlichen Glauben.

 

II:  Dass Weinbau ein gottgefälliges Werk ist?

 

I:   Das auch, warum nicht. Aber viel, viel mehr noch! Ich denke da besonders an das Abendmahl. Das Abendmahl ist die Mitte aller kirchlichen Feiern, mit der Taufe zusammen. Und beim Abendmahl gibt es Brot und Wein: Brot und Wein. Nicht Wasser und Brot oder Milch und Früchte.

 

II:  Das ist allerdings auffällig. In der Mitte aller kirchlichen Feiern – Brot und Wein. Wein und Brot.
Das muss etwas bedeuten, muss seinen besonderen Sinn haben.

 

I:   Und wenn wir jetzt an den klugen und weisen Jesus Sirach denken und an den Propheten Jesaja und an die Psalmen: dann leuchtet der Sinn doch ein, dann ahnen wir, was Brot und Wein bedeuten könnten!

II:  In der Mitte unserer Feiern steht Wein, und Wein steht für Lebenswasser, Wein steht für Freude, Frohsinn, für Wonne und Lebenslust. Wein hat Gott geschaffen, damit des Menschen Herz erfreut werde ...

I:   Siehst du.

 

II:  Was?

 

I:   Das ist es! In unserm Glauben geht es zuerst um Leben, um Freude, Frohsinn, Wonne und Lebenslust. Wir feiern, damit des Menschen Herz erfreut werde.
So ist das.

 

II:  Das klingt gut. Aber ist das alles? Mich erinnert das etwas an eine Spaßkirche in der Spaßgesellschaft – immer gut drauf sein, Lebenslust auf Hochglanzpapier, fun – fun – fun ...

 

I:   Nein! So ist es nicht gemeint. Es geht schließlich um das Abendmahl. Und das Abendmahl feiert Jesus kurz vor seinem Tod. Und seinen Tod vor Augen sagt Jesus ausdrücklich:
“Nehmt den Kelch und teilt ihn unter euch. Denn ich sage euch: Ich werden von nun an nicht mehr trinken von dem Gewächs des Weinstocks, bis das Reich Gottes kommt.“

II:  Das ist ja wie bei Jesaja: Das Reich Gottes kommt und alle sind bei Gott eingeladen zu einem „fetten Mahl mit Wein ohne Hefe ...“. Aber bis dahin – da ist nicht jeden Tag Fest, Spaß und lustig. Zuerst muss Jesus sterben. Und sterben muss nicht nur er.

 

I:   Ja, so ist das. Und dennoch teilt Jesus den Wein aus – obwohl er leiden und  sterben wird. Und dennoch teilt er den Wein aus, obwohl die Jünger leiden und sterben werden. Und obwohl es weiterhin Leid und Schmerz gibt in der Welt. Jesus teilt Wein aus.

 

II:  Oder: Gerade deshalb teilt er den Wein aus – und gerade deshalb sagt er dann: „Das bin ich, dieser Kelch. Mein Blut.“ Durch meinen Tod hindurch wird das Leben siegen, die Freude, die Wonne, die Lust und sogar der Frohsinn des Feierns und des Festes. Durch mich wird die Zeit kommen, wo Ihr alle an einem Tisch feiert in Gottes Reich. Und wieder wird der Weinkelch von einem zum andern gehen in und bei Gott ...

 

I:   Zwischenstation also.

 

II:  Zwischenstation?

 

I:   Ja! Unbedingt! Leiden, Sterben, Tod – immer ist Leiden und Tod Zwischenstation: vom Leben geht es zuletzt zum Leben. Durch den Tod hindurch.

 

II:  Leben – Sterben – Leben?

I:   Ja – und jedes Fest soll uns daran erinnern:
Jeder Gottesdienst soll es feiern.
In jedem Abendmahl empfangen, essen und trinken wir es:
Leben und Freude, Frohsinn, Wonne und Lust mitten in der Welt, die noch ganz anders sein kann und schwer.

 

II:  Der Wein hat es in sich.

I:   Wem sagst du das ...

 

II:  Der Wein hat es wirklich in sich, wie der kluge und weise Jesus Sirach gesagt hat:
“Wie ein Lebenswasser ist der Wein für den Menschen, / wenn er ihn mäßig trinkt. Was ist das für ein Leben, wenn man keinen Wein hat, / der doch von Anfang an zur Freude geschaffen wurde?
Frohsinn, Wonne und Lust bringt Wein, / zur rechten Zeit und genügsam getrunken.“

 

I:   Und das sogar in ganz tiefer Weise, wie Jesus Christus es dann gesagt und gezeigt und gefeiert hat.

II:  Liebe Gemeinde!
Denken Sie noch ein wenig darüber nach mitten im Weinberg. Was das bedeutet, dass Jesus Christus uns Brot und Wein in die Hände gibt, kurz bevor er stirbt.
Und dass er uns sagt: Dieser Wein bin ich, die Freude eurer Feste und Feiern.

I:   Und dass Jesus uns damit ein Zeichen gibt:
Gott wird euch Freude schenken,
Wonne und Lust und Leben.
Leiden und Tod hat er überwunden.
Spürt ihr diese Kraft, die von Jesus ausgeht?
Spürt ihr dieses Leben, das Gott uns hier schenkt?
Amen.