Die Glocken von Linsenhofen

Unsere Kirche hat ein recht gutes Geläut. Insbesondere die große Betglocke, die 1996 500jähriges Jubiläum feiern konnte, ist bemerkenswert.

 

Laut Gutachten des landeskirchlichen Glockensachverständigen, Claus Huber, fehlt zur Vollendung nur noch eine vierte, kleine Glocke. Sie würde den Klang abrunden. Doch die Kosten von ungefähr 15.000 Euro kann die Kirchengemeinde bis auf weiteres nicht aufbringen.

Vielleicht findet sich ja ein Stifter oder eine Stifterin?

 

Das Geläut besteht also zur Zeit aus drei Glocken, von denen die große Glocke die älteste und schönste ist.

I. Die große Glocke: Betglocke

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Die Bet- oder Vaterunserglocke von 1496 - der Stolz der Gemeinde.

 

Die große Glocke ist auf den Ton gis' gestimmt. Sie wurde 1496 in Reutlingen von Glockengießermeister Jos Eger gegossen. Diese Zeit, im ausgehenden 15. und beginnenden 16. Jahrhundert, war eine Blütezeit der Glockengießkunst, vor allem auf klanglicher Seite.

Diese Qualität wurde ab den 1950-er Jahren ein weiteres Mal erreicht, im Zuge der großen Glockenproduktion nach den Kriegsverlusten. Bis heute konnte der hohe Stand gehalten werden. Es gab in der Spätgotik allerdings viele Glocken, deren klanglich vollendete Schönheit auch von besten modernen Glocken nicht mehr zu übertreffen ist (historische Information: Claus Huber, Glockensachverständiger der Landeskirche, per E-Mail).

 

Gewicht: ca. 700 kg.

Durchmesser: 100,9 cm.

 

Sie trägt in gotischer Schrift die Namen der vier Evangelisten: Matthäus, Markus, Lukas und Johannes.

 

Die große Glocke heißt „Betglocke“, weil sie täglich dreimal zum Gebet ruft:

 

Morgens um 7 Uhr (ursprünglich um 6 Uhr) zum Morgengebet und zur Erinnerung an die Auferstehung Jesu.

 

Mittags um 12 Uhr zum Mittagsgebet und zum Gebet um den Frieden.

 

Abends um 18 Uhr zum Abendgebet und zur Erinnerung an den Abend des Lebens und den Abend der Welt.

 

Während der Gottesdienste läutet die Betglocke beim Vaterunser der Gemeinde, und so können die Daheimgebliebenen das Vaterunser mitbeten.

 

 

Bei der Renovierung unserer Kirche vor Ende der 1990-er Jahre wurde übrigens ein Stahljoch durch ein Holzjoch ersetzt unter tatkräftiger Mithilfe unserer örtlichen Handwerker. Seitdem klingt die Glocke wieder weit schöner. Das Joch ist die Befestigung für die Glocke. Aus Preisgründen wurde nach dem Krieg Stahl verwendet, der der Glocke aber einen harten, metallisch-schrillen Klang  beschert hat. Holzjoche lassen Glocken weicher und voller klingen.

 

II. Die mittlere Glocke: Kreuzglocke

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Die mittlere Glocke ist die Kreuz- und die Schiedglocke.

Die mittlere Glocke, auf den Ton h' gestimmt, wurde 1950 in der Glockengießerei Kurtz, Stuttgart, gegossen.

 

Gewicht: 327 kg.

Durchmesser: 81,6 cm.

 

Sie trägt die Inschrift „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden“, als Ornament ist ihr Reblaub mit Weintrauben (Linsenhofen ist Weinbaugemeinde!), als Symbol ein lobsingender Engel eingegossen.

 

Die mittlere Glocke heißt „Kreuzglocke“, weil sie zweimal am Tag (außer am Sonntag, dem Auferstehungstag) an das Kreuz Jesu erinnert:

 

Morgens um 11 Uhr, weil zu dieser Stunde über Jesu Kreuz eine große Finsternis hereinbrach; Mittags um 15 Uhr, weil zu dieser Stunde Jesus starb. Die Sterbestunde Jesu, freitags 15 Uhr, hat für die Glockengießer eine besondere Bewandtnis, denn traditionell weden die Glocken genau zu diesem Zeitpunkt gegossen.

 

Als „Schiedglocke“ (von „Abscheiden“) läutet sie vor Begräbnissen und als Aufforderung zum Gebet, wenn jemand gestorben ist (nach der Abendglocke).

 

Und als "Zeichenglocke" gibt sie eine halbe oder eine Stunde vor Gottesdiensten das Zeichen zur Vorbereitung auf den Gottesdienst oder die Andacht.

 

 

III: Die kleine Glocke: Taufglocke

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Die kleine Glocke läutet insbesondere zu Taufen. Innen ist noch die Beschriftung von der Glockenabgabe im Weltkrieg zu sehen.

Die kleine Glocke, auf den Ton dis'' gestimmt, wurde 1921 ebenfalls in der Glockengießerei Kurtz in Stuttgart gegossen. Für ihre Entstehungszeit ist sie ein auffällig wohlklingender und gut gelungener Guss.

 

Gewicht: 170 kg.

Durchmesser: 65,6 cm.

 

Sie trägt die Inschrift „Ein feste Burg ist unser Gott“ und erinnert so an Martin Luther, der dieses Lied gedichtet hat.

 

Die kleine Glocke heißt „Taufglocke“, weil sie in Taufgottesdiensten läutet, während der Täufling getauft und gesegnet wird. Sie signalisiert laut und vernehmlich die Freude über die Gotteskindschaft des Täuflings und ruft die zu Hause gebliebenen Gemeindeglieder zur Fürbitte für ihn auf.

 

Vom Läuten und Schlagen

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Beim Schlagen muss man sich schon die Ohren zuhalten - beim Läuten erst recht. Das Schlagen geschieht mit dem Hammer, beim Läuten treibt ein Rad mit Riemen die Glocke an. Der Ton kommt vom Klöppel.

Grundsätzlich klingen die Glocken in zweifacher, unterschiedlicher Weise: Das Schlagen geschieht mit einem Hammer, beim Läuten treibt ein Rad mit Riemen die Glocke an. Der Ton kommt dann vom Klöppel. Der Unterschied hat sogar finanzielle Folgen.

 

Das Läuten: Mehrere Glocken

Das volle Geläut lädt zu Gottesdiensten ein. Symbolisch vertreibt es lautstark die Finsternis und erinnert an die Auferstehung Jesu (Sonntag = Auferstehungstag). Das Einläuten des Gottesdienstes dauert eine halbe Viertelstunde, also 7 ½ Minuten.

 

Zudem wird am Samstagabend um 18 Uhr der Sonntag mit allen drei Glocken zehn Minuten eingeläutet, weil nach altem kirchlichen Brauch der Sonntag mit dem Sonnenuntergang am Samstag beginnt.

 

Trauungen, Beerdigungen, Schülergottesdienste werden ebenfalls voll eingeläutet.

 

Zu Andachten und Nebengottesdiensten wird mit zwei Glocken geläutet, ebenso zu Konzerten, wenn diese geistlichen Charakter haben, und zwar die große und die mittlere Glocke. Nur Passionsandachten werden mit der großen und kleinen Glocke geläutet, weil die Quinte einen eher leeren, trauernden Klang hat. Dauer: drei bis fünf Minuten, je nach Bedeutung des Gottesdienstes.

 

Das Läuten: Einzelne Glocken

Einzelne Glocken läuten zu bestimmten Zeiten und Anlässen, je drei Minuten: siehe oben bei den einzelnen Glocken.

 

 

Das Schlagen

Das Schlagen der Viertelstunden ist eine öffentliche Uhr. Deshalb gehört das Schlagen auch rechtlich der bürgerlichen Gemeinde, nicht der Kirchengemeinde. Und für den Unterhalt und die Wartung des Schlagens und der  Uhr bezahlt die Kommune ihren Anteil.

 

Folgende Regeln gelten nahezu weltweit:

Jede Viertelstunde bekommt einen Schlag mehr:

x.15 Uhr – ein Schlag

x.30 Uhr – zwei Schläge

x.45 Uhr – drei Schläge

x.00 Uhr – vier Schläge + Stunde

 

Das hört sich dann so an (Beispiel zwischen 7 und 8 Uhr):

Uhr

Kleine

Glocke

Mittlere

Glocke

Große

Glocke

7.15

1

--

--

7.30

2

--

--

7.45

3

--

--

 

Und zur vollen Stunde wird die Stunde dazu geschlagen. Also immer 4 Schläge + Stundenschlag. Dabei wird die Stunde wiederholt, damit die Leute es ganz genau hören können. Es wird jedes Mal eine andere Glocke geschlagen:

Uhr

Kleine

Glocke

Mittlere

Glocke

Große

Glocke

7.00

4

7

7

8.00

4

8

8

und

so

weiter

...

 

Wichtig: Die Kirchturmuhr kennt nur 12 Stunden! 20 Uhr ist also wie 8 Uhr.

 

 

Zu seiner Funktion, die Stunden anzuzeigen, symbolisiert das Schlagen aber auch die verrinnende (Lebens-) Zeit und mahnt zum verantwortungsvollen Umgang mit der Zeit.

 

Denn wenn einem „die letzte Stunde schlägt“, ist die Zeit unwiederbringlich zerflossen.

 

Zur Geschichte der Glocken in jüngster Zeit

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Historisches Bild von der Glockenabgabe 1942 im Zweiten Weltkrieg. Gott sei Dank konnte die große Glocke von 1496 gerettet werden. Die mittlere aus dem 18. Jahrhundert allerdings wurde zu Waffen oder Munition umgeschmolzen. Leider.

Im Ersten Weltkrieg wurde die mittlere Glocke (gegossen 1782 unter Pfarrer Kuhorst und Schultheiss Gottlieb Trost, umgeschmolzen 1894) und die kleine Glocke (gegossen 1894) für die Waffenproduktion eingeschmolzen. Die große Glocke entging diesem Schicksal, da ihr am 26.4.1917 ein erheblicher Kunstwert bescheinigt wurde.

 

Im Zweiten Weltkrieg (1939-1945) musste die große und die mittlere Glocke zu Kriegszwecken abgeliefert werden. Auf den historischen Wert der Glocke von Meister Eger wurde offensichtlich keine Rücksicht mehr genommen, es zählte nur das Gewicht. Während die mittlere Glocke tatsächlich eingeschmolzen wurde, kehrte die große Glocke am 9. Februar 1948 in die Gemeinde zurück. Sie war damit glücklich der Barbarei entgangen, dass aus Glocken Kanonen wurden. Im Gottesdienst am 7. März 1948 wurde sie als Betglocke wieder in Gebrauch genommen. 1996 konnte die ganze Gemeinde mit einem großen Fest ihren 500. Geburtstag feiern.

 

Übrigens wurden als Ersatz für die fehlenden Glocken von beherzten Linsenhöfern alte Radreifen der Tälesbahn aufgehängt.

 

Für die eingeschmolzene mittlere Glocke wurde Ersatz geschaffen in Gestalt der jetzigen mittleren Glocke, die im Gottesdienst am 18. Juni 1950 eingeweiht wurde.